Freitag, 10. Dezember 2010

Artikel von James Hansen: Der Preis für den Wandel

Original: Artikel von James Hansen in der South China Morning Post im November

Der Preis für den Wandel

Die Kristallkugel zeigt de Zukunft des Klimas klar, die physikalischen Grundlagen sind nicht zu leugnen. Die Verbrennung aller fossilen Brennstoffe (Kohle, Öl, Gas) hätte erschütternde Konsequenzen und könnte sogar das Fortbestehen der Menschheit bedrohen. Fossile Brennstoffe erzeugen CO2, welches für Jahrtausende in den Oberflächenspeichern der Erde verbleibt, also in der Atmosphäre, Ozeanen, Boden und der Biosphäre. Die Reaktion des Klimas auf die Erhöhung des CO2 Anteils beginnt sehr langsam, da die Ozeane und die Eismassen der Antarktis und Grönlands träge sind und die Klimaerwärmung verzögern. Diese Verzögerung ist nicht gut für uns. Es bedeutet, dass eine viel stärkere Erwärmung bereits verursacht ist — sie wird auch dann stattfinden, wenn wir den Ausstoss an Treibhausgasen völlig stoppen. Wir haben bisher nur ungefähr die Hälfte der Erwärmung erlebt, die durch die bis jetzt ausgestossene Menge CO2 gegeben ist. Die globale Erwärmung im Moment gleicht einem Schnupfen. Die ungewöhnliche Flut in Pakistan, die Rekordhitze in Moskau, die Trockenheit in Südchina, gefolgt von Überflutung. Die heutigen Menschen können sich durch solche Klima Unpässlichkeiten durchkämpfen. Die grossen Probleme warten auf unsere Kinder, wenn wir nicht schleunigst unsere CO2-Emissionen herunterfahren.
Der Anstieg des Meeresspiegels ist eines der Probleme. Wenn wir mit unseren Emissionen so weiter machen wie bisher, dann liegt die Menge CO2 im Jahr 2016 bei 400 ppm. Das wird einen Meeresspiegelanstieg von schliesslich 25 m verursachen. Die Landmassen von China werden dadurch immens verkleinert, wodurch ca. 250 Millionen Menschen gezwungen werden, landeinwärts zu ziehen. 
Wie schnell die Eisschilde kollabieren, ist unsicher. In vergangenen Erdzeiten stieg der Meeresspiegel um ca. einem Meter pro 20 Jahre. Aber die menschengemachte Erwärmung ist viel grösser und schneller als die vergangenen natürlichen Erwärmungen. Die Eisschelfe, Zungen von Eis, die vom Festland ins Meer hinaus ragen und die grossen antarktischen und grönländischen Eisschilde stabilisieren, schmelzen. Jeder der beiden Eisschilde verliert nun ca. 100 Kubikkilometer Eis pro Jahr. Wenn diese Eisverluste sich beschleunigen, dann ist es möglich, dass es nur noch Dekaden dauert, bis alle Eisschilde kollabieren.
Das Aussterben von Arten, zum Teil beschönigend „Verlust an biologischer Vielfalt genannt“, ist ein anderes irreversibles Problem. Die schnelle Verschiebung der Klimazonen in Richtung der Pole um ca. 50-60 km pro Dekade, wird die hauptsächliche Ursache für das Aussterben. Viele Arten können nicht so schnell migrieren. Davon abhängige Arten und Ökosysteme können kollabieren. Wenn wir einen Kipppunkt im System überschreiten, dann könnte es zu einem massenhaften Aussterben von Arten kommen, so wie es schon einige Mal in der Geschichte der Erde vorgekommen ist. Wenn wir unsere Mitgeschöpfe in den Tod treiben, dann werden wir unseren Nachkommen einen trostlosen Planeten hinterlassen und zwar für mehr Generationen, als wir uns vorstellen können.
China ist nicht hauptsächlich verantwortlich für den Klimawandel, denn der ist proportional zu den historisch angesammelten Emissionen. Die USA sind verantwortlich für 27 % und China für 9.5 %. Aber China hat die grössten Emissionen heute und wird in den nächsten zwei Jahrzehnten der Hauptverursacher für die globale Erwärmung sein, wenn es weiter so stark auf Kohleenergie setzt.
Die Regierungen müssen den nackten Tatsachen ins Auge sehen: Wenn wir alle fossilen Brennstoffe verbrennen, dann steigt das CO2 auf 550ppm und wir kreieren einen anderen Planeten – einen trostlosen, eisfreien Planeten mit Meeresspiegeln um ca. 75 m höher als heute. Sobald der Kipppunkt erreicht ist, wird der Übergang zum eisfreien Stadium chaotisch und ausserhalb menschlicher Kontrolle verlaufen. Stabile Küstenlinien werden erst wieder erreicht, wenn alles Eis weg ist. 
Wie können wir den das Abkippen des Klimas vermeiden? Die strategischen Notwendigkeiten sind klar. Wir müssen Kohle Emissionen stufenweise zurückfahren und unkonventionelle fossile Brennstoffe, so wie die Ölsande, in der Erde lassen. Dadurch wird das atmosphärische CO2 langsam abnehmen, indem es wieder von den anderen Oberflächen der Erde aufgenommen wird. Diese Strategie macht Sinn, denn Kohle und Ölsande sind die dreckigsten Formen von Energie. Sie vergiften Land, Seen und Meere mit Quecksilber, Arsen und anderen gefährlichen Chemikalien. Fossile Brennstoffe sind endlich, d.h. wir müssen sowieso irgendwann auf kohlenstofffreie Energieformen umsteigen, z.B. Kernenergie, erneuerbare Energien und verbesserte Energieeffizienz. Um eine Zukunft für die Jugend zu erhalten, müssen wir es in den nächsten Jahrzehnten schaffen auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Man sollte eigentlich denken, dass jeder eine blendende Zukunft mit sauberen, kohlenstofffreien Energieformen bevorzugt. Aber was passiert in Wirklichkeit? Die Kohlenutzung nimmt weltweit zu. Kanada, Norwegen und die USA bauen Teersande ab. Die Regierungen sprechen von einem Planeten in Gefahr und geben vor, dass ihre Politik darauf abzielt, das Klima zu stabilisieren. Das nennt man „Greenwashing“, also sich ein grünes Mäntelchen umlegen, in dem nichts darin steckt. Will man das grosszügig interpretieren, dann kann man sagen, dass die Regierungen zwar wohlmeinend sind, aber die grundlegenden Fakten ignorieren. Es ist aber einfach und klar, wie das Gesetz der Schwerkraft: Solange die fossilen Brennstoffe am billigsten sind, werden wir sie weiter verbrennen. Fossile Brennstoffe sind aber nur so billig, weil die externen Kosten an der Gesellschaft nicht eingerechnet sind. Die Gesundheitskosten durch verschmutzte Luft und Wasser werden alleine von der Öffentlichkeit getragen. Die Industrie, die an den fossilen Brennstoffen verdient, muss die Arztrechnungen oder den Verlust der Produktivität nicht zahlen. Die grössten nicht kompensierten Kosten, werden aber die Folgekosten der Klimaerwärmung sein. Die Kosten des Klimawandels sind jetzt bereits beträchtlich, aber die zukünftigen Kosten werden astronomisch sein. Diese Fakten zeigen das ausschlaggebende Element für eine Lösung des Energie- und Klimaproblems. Eine regelmässig steigende CO2-Abgabe muss von den fossilen Energieunternehmen bezahlt werden. Die eingenommenen Gebühren sollten monatlich wieder an die Bevölkerung ausgezahlt werden und zwar pro Kopf. Das erlaubt die Anpassung unseres Lebensstils und wird Innovationen für saubere Energie ankurbeln. Mit den steigenden Gebühren werden die fossilen Energien durch kohlenstofffreie und saubere Energien ersetzt werden. 
Dieser Ökobonus-Ansatz (CO2-Abgabe mit Rückerstattung) stellt den schnellsten und effektivsten Weg hin zu einer Zukunft mit sauberen Energien dar und bedeutet die Genesung von der Sucht nach fossilen Energien. Aber halt! Wenn diese Gebühr Sinn macht und auch noch den Planeten rettet, warum folgen dann die USA und andere Ländern nicht diesem Pfad? Die Interessen der Fossilen Energien regieren sowohl in Washington, wie auch in anderen Hauptstädten. Das grosse Geld zwingt die Regierenden ineffektive Methoden, wie den Emissionshandel einzuführen. Dieses System wurde von den grossen Banken und fossilen Energiefirmen eingeführt und stellt die weitere Abhängigkeit von den Fossilen sicher. Aber gibt es denn gar keine Hoffnung, dass die Herrschaft der Fossilen Energien gestoppt werden kann, wo doch die meisten Länder sich mit Greenwashing zufrieden geben? Ja, es gibt Hoffnung und zwar China. China ist mittlerweile führend bei Investitionen in saubere Energien, z.B. Wind, Solar oder Kernenergie.
Aber diese neuen Formen der Energie werden die Fossilen nur ablösen – in China und dem Rest der Welt, wenn eine steigende Kohlenstoffgebühr die fossilen Energien dazu zwingt, die externen Kosten der Gesellschaft zu mitzutragen. Keine Nation allerdings wird interne Gebühren erheben, die im internationalen Wettbewerb zu Nachteilen führen. Aber eine CO2-Abgabe im Inland mit Rückerstattung (Ökobonus) mit moderaten Gebühren zu Beginn, wird einen Boom im Land auslösen und international als Diskussionsgrundlage dienen. Der Klimawandel als eine Angelegenheit von Generationengerechtigkeit wird sich als das grosse moralische Thema des 21. Jahrhunderts herausstellen. China kann die Welt mit einem rationalen Ansatz durch die bisher gefährlichste Krise führen, die die Menschheit und Natur je erlebt hat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen