Freitag, 17. Juni 2011

Leserbrief von Oliver Marchand an die NZZ und Hirstein


Sehr geehrte NZZ am Sonntag,
Sehr geehrter Herr Hirstein,

dies ist mein zweiter Leserbrief zum Thema "erneuerbare Energien" mit
Artikeln von Herrn Andreas Hirstein. Bei mir entsteht der Eindruck,
dass Herr Hirstein einen Feldzug gegen die aktuelle Entwicklung hin zu
den Erneuerbaren führt und die NZZ ihn dabei bestens unterstützt,
anstatt ihre Verantwortung für die Entwicklung der Energieversorgung
in den kommenden Jahren sinnvoll gerecht zu werden.

An einer kritischen Beleuchtung der Windkraft ist ja grundsätzlich
nichts auszusetzen, aber den haarsträubenden Thesen und zahlreichen
rhetorischen Fragen in dem Artikel "Starker Gegenwind" möchte ich hier
gerne widersprechen:

1. Erneuerbare Energien sind nicht unendlich, Windenergie könnte an
ihre Grenzen stossen, Weniger als 1 Promille der Sonnenenergie kann
als Windenergie Verwendung finden

Diese Thesen spielen alle überhaupt gar keine Rolle. Der allgemeine
Konsens ist, dass ein Mix aus erneuerbaren Energien und Energie sparen
der vernünftige Weg in die Zukunft ist. Kein vernünftiger Mensch
behauptet, dass man mit erneuerbaren Energien unendlich Energie
verbrauchen kann. Welchem Anteil der Sonnenenergie das entspricht ist
aus physikalisch theoretischer Sicht vielleicht interessant. Da wir
aber selbst von dem konservativen Limit von 68 TW weit entfernt sind,
ist diese Betrachtung der sogar eine Grafik gewidmet wird absolut
irrelevant.

2. Der "New Scientist" hat das Ende der Windenergie ausgerufen

Diese Aussage ist schlicht falsch. Die Zeitschrift hat lediglich einen
Artikel über die Forschung von Axel Kleidon veröffentlicht in dem eben
auf die Beschränkung und möglichen Gefahren der grünen Energiequellen
hingewiesen wird. Im übrigen hat die Redaktion des "New Scientist"
schon am 6. April 2011, also lange vor Erscheinung des NZZ Artikels,
den Original-Titel von "Die Windenergie ist nicht erneuerbar" zu
"Wind- und Wellen-Parks könnten die Energiebalance der Erde
beeinflussen" geändert. Die Redaktion vom "New Scientist" bemerkt auch
 dass es Kontroversen zu Kleidons Forschung gibt - die sie im Artikel
nicht beachtet hatten. Das erwähnt Herr Hirstein allerdings mit keinem
Wort.

3. Kritische Stimmen sucht man in dem Artikel vergeblich

Ja, in dem Artikel gibt es keine Kritik an der Arbeit Kleidons,
ansonsten ist das Internet aber voll damit. Man muss nur z.B. die
Reviews der angesprochenen Journal Artikel anschauen. Häufigsten
Kritikpunkte: vorherige Forschungsarbeiten ignoriert, Modellierung von
Windparks durch beliebiges Erhöhen der Geländerauhigkeit falsch,
Modelle nicht validiert und Auflösung zu niedrig.

4. So klimaschädlich wie Kohle? (Bildunterschrift)


Eine solche rethorische Frage kann man doch so nicht stehen lassen.
Windkraft gilt allgemein als die Energiegewinnung mit dem höchsten
EROEI (Energy-return-on.energy-
investment) Faktor. Kohlekraftwerke
hingegen hinterlassen unbewohnbare Kraterlandschaften, stossen
Unmengen CO2 aus und produzieren toxischen Müll. Ich frag' mich
wirklich, was soll die Frage?

Wenn doch die wissenschaftliche Arbeit von Kleidon so offensichtlich
hinkt, warum liefert Herr Hirstein ihm denn eine weitere Platform und
dehnt die mögliche Interpretation der Ergebnisse dieser Arbeiten
derart absurd weit aus? Oder warum fragt er denn nicht mal bei ein
paar Schweizer Klima-Professoren nach was sie von Kleidons Arbeit
halten? Wieso überhaupt stützt man sich bei so einem Artikel auf eine
einzige Studie eines umstrittenen Wissenschaftler, anstatt einfach zu
schauen wie es in der Praxis funktioniert? Ich vermute, weil es ihm
diese super Story: "Windkraft so schlecht wie Kohle" vermiesen würde.

Mit freundlichem Gruss,
Oliver Marchand

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