An das Bundesamt für Energie
Sektion BP
3003 Bern
Zürich
29.1.2013
Stellungnahme
zur Vernehmlassung des Bundesrates zur Energiestrategie 2050
von Dr.
Christina Marchand
Sehr geehrte Bundesräte, geehrte Damen und
Herren
Mit diesem Schreiben erlaube ich mir als
Privatperson an der Vernehmlassung des Bundesrates zur Energiestrategie 2050
teilzunehmen.
Zur
Person
Ich bin doktorierte Chemikerin und arbeite
bei comparis.ch als Nachhaltigkeitsverantwortliche. In den letzten 2 Jahren
habe ich mich beruflich intensiv mit dem Schweizer Strommarkt beschäftigt und
mich zur Nachhaltigkeits-Expertin mit Schwerpunkt Klimawandel weitergebildet.
In diesem Zusammenhang fühle ich mich befähigt, eine Stellungnahme zur neuen
Energiestrategie abzugeben. Meine hier geäusserte Meinung ist rein privat und
entspricht nicht einer offiziellen comparis.ch Meinung. Ich würde mich freuen,
mit meiner Stellungnahme einen Beitrag zu Ihrer Entscheidung zu leisten.
Stellungnahme
Ich bedanke mich beim Bundesrat, dass unsere
Strom- und Energieversorgung als sehr wichtige, zentrale Anliegen erkannt
wurden und in diesem Zusammenhang eine klare Entscheidung gegen den Neubau von
Atomkraftwerken und für den Klimaschutz getroffen wurde. Nach der Katastrophe
wurde die Entscheidung für eine Energiewende schnell gefällt und zielgerichtet
vorangetrieben. Mit der neuen Strategie des Bundesrates werden die wichtigsten
Eckpunkte für eine nachhaltige Entwicklung eingeschlagen. Das ist sicher
positiv. Aber die vorgeschlagenen Massnahmen und Zielwerte entsprechen nicht
dem Ernst der Lage. Ich möchte folgende Punkte anbringen:
Der Klimawandel ist ein höchst
schwerwiegendes und drängendes Problem, das potentiell schon in diesem
Jahrhundert zur Destabilisierung unserer Zivilisation und zur Ausrottung von ¾
aller Lebewesen führen kann (siehe James Hansen et al., diverse
Veröffentlichungen). Schon unsere Kinder, aber sicher unsere Enkel sind massiv
betroffen, unter Umständen sogar schon unsere Generation. Im Rahmen der
globalen Vernetzung wird kein Land den Auswirkungen des Klimawandels entkommen,
selbst wenn es selber nicht direkt von massiven Umweltveränderungen betroffen
ist. Steigende Meeresspiegel, massive Migrationsbewegung, hohe Umweltkosten
werden die Stabilität der Weltwirtschaft und den Frieden bedrohen. Wenn man in
diesem Zusammenhang von sicherer Stromversorgung redet, dann muss man von einer
Stromversorgung reden, die alles dafür tut, dass dem Klimawandel Einhalt
geboten wird.
Der Klimawandel ist ein weltweites Problem.
Die Schweiz kann den Klimawandel nicht alleine bekämpfen, aber sie kann Signale
in die ganze Welt aussenden und eine Vorreiterrolle einnehmen. Die Schweiz hat
die idealen Voraussetzungen für eine 100% erneuerbare Stromversorgung und
weitgehend erneuerbare Energieversorgung. Neue Studien von Prof. Gunzinger zeigen
klar, dass die Schweiz eines der wenigen Länder dieser Welt ist, welche relativ
schnell und nahezu kostenneutral auf erneuerbare Energien umstellen können.
Wenn unter diesen Voraussetzungen nur ein Minimalfahrplan angestrebt wird, dann
können wir nicht gleichzeitig von anderen Ländern eine zügige Bekämpfung des
Klimawandels zu fordern. Es ist für mich zwingend nötig, dass die Schweiz, als
eines der reichsten und bevorzugtesten Länder der Erde, einen sehr ehrgeizigen
Plan zur Vermeidung von CO2 und Umstellung auf erneuerbare Energien vorlegt und
damit den anderen Ländern einen Weg zeigt, wie wir den Klimawandel zumindest
abschwächen können. Wenn wir das nicht schaffen, dann wird unsere
Energieversorgung auf die Dauer nicht sicher sein, da die Welt eine unsichere
werden wird.
Auch die Atomkraft ist als Energieträger
abzulehnen, da sie mit grossen Unsicherheiten und Risiken behaftet ist und
deshalb nicht 100% sicher betrieben werden kann. Bereits jetzt sind Wind- und
Solarenergie unter Einbezug aller Kosten nicht teurer. Ein Abschalten ist
deshalb so früh wie möglich, natürlich unter Beachtung des Klimaschutzes und
mit klaren Ausstiegsterminen anzustreben. Neue Gaskraftwerke müssen bei der richtigen
Strategie keine gebaut werden (neue Forschungsergebnisse von Prof Gunzinger).
Entscheidungen und Lenkung soll in erster
Linie über korrekte Vollkostenpreise passieren, die sämtliche, uns heute
bekannten direkten und indirekten Kosten enthalten. Importe aus dem Ausland
sind dementsprechend beim Grenzübertritt preislich anzugleichen, so dass
Kostenwahrheit gegeben ist. Mit diesen korrekten Preisen und einigen klaren
Regeln und Verboten, kann der Markt wieder funktionieren und Konsumenten können
die richtigen Entscheidungen treffen. In diesem Zusammenhang ist auch die
vollständige Liberalisierung des Strommarktes anzustreben, so dass Konsumenten
zum Produkt und Anbieter ihrer Wahl wechseln können und damit die Energiewende
voran treiben können.
Neben der Effizienz muss Suffizienz als
wichtiges Mittel zur Erreichung der Ziele angestrebt werden. Wir können nicht dauerhaft
weiter auf Kosten und mit dem Verbrauch der Lebensgrundlagen der folgenden
Generationen und anderer Weltbewohner leben. Suffizienz muss notfalls durch
höhere Preise oder Verbote erreicht werden. Es reicht nicht, hier auf
Freiwilligkeit zu setzen.
Wichtig ist die Akzeptanz in der
Bevölkerung. Hier muss eine massive Aufklärung über die Gefahren des
Klimawandels und der Umweltzerstörung erfolgen, welche immer noch von einigen
Meinungsführern und zum Teil von der Presse verharmlost wird. Unsere Bundesräte
müssen in Ansprachen zum Volk und zu den Meinungsführern klar machen, dass es
sich um eine reale Bedrohung unserer nationalen Sicherheit handelt, die nur mit
engagierten und zügigen Massnahmen bekämpft werden kann. Eine sichere
Energieversorgung mit fortschreitendem Klimawandel ist keine sichere
Energieversorgung und schon gar keine sichere Zukunft.
Die Schweiz kann von zügigen und
weitreichenden Massnahmen im Bereich erneuerbare Energien, Effizienz und
Suffizienz nur profitieren. Reduzierte Abhängigkeit von potentiell unstabilen
Energielieferländern und damit reduzierte Abflüsse von wertvollen Devisen in
diese Länder, Stärkung der eigenen Innovationskraft und des inländischen
Arbeitsmarktes und Gewerbes sind nur einige positive Effekte in diesem
Zusammenhang. Unser Vorgehen in der kleinen Schweiz könnte ein wichtiger Hebel
sein, der in anderen Ländern weitreichende Massnahmen auslöst und damit
Schritte zu einer wirksamen Eindämmung des Klimawandels vorantreibt. Denn der
Klimawandel passiert deutlich schneller, als selbst vom IPCC vorhergesagt. Auch
wir müssen deshalb schneller reagieren, als wir noch vor kurzem angenommen
haben. Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen Denk- und Handlungs-anstösse
geben. Für Fragen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. Danke für die Gelegenheit
mich zur Strategie zu äussern.
Mit freundlichen Grüssen
Christina Marchand
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